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Jörg Gronmayer - historische Romane für Kinder & Jugendliche


Die Bronzezeit

Der nachfolgende Text wurde dem Anhang meines Romans „Amelie in der Bronzezeit“ entnommen und für das Internet aufbereitet*:

Vor 3.500 Jahren kannten die Menschen in Europa noch keine Schrift. Wir wissen also nicht, wie sich ihre Sprache angehört hat. Wir kennen weder Namen von Personen, die damals gelebt haben, noch die Sagen und Geschichten, die sie sich an langen Winterabenden erzählt haben mögen.

Trotzdem hinterließen die Menschen natürlich wie in jeder Epoche ihre Spuren, die von Wissenschaftlern unserer Zeit erforscht werden. Die Spuren sind zudem häufiger und deutlicher als z.B. die Funde aus der Altsteinzeit – zum einen liegt die Zeit noch nicht ganz so weit zurück, zum anderen war die Bevölkerung schon wesentlich dichter als zuvor. Besonders wichtig ist jedoch die Tatsache, dass die Menschen in der Jungsteinzeit – also zwischen Altsteinzeit und Bronzezeit – den Schritt hin zu Ackerbau, Viehzucht und Sesshaftigkeit gemacht hatten. So konnten sie auch in der Zeit, um die es in diesem Buch geht, in festen Häusern leben, von denen teilweise noch die Fundamente oder an Seeufern die Stelzen der Pfahlbauten erhalten sind. Die Felder und Äcker, die zum Teil schon seit der Jungsteinzeit existierten oder aber wegen der wachsenden Bevölkerung in der Bronzezeit neu angelegt wurden, sind meistens noch heute landwirtschaftliche Flächen – über die Jahrtausende immer wieder verändert, zusammengelegt und neu aufgeteilt.

Ein – neben Landwirtschaft und Sesshaftigkeit – weiterer wesentlicher Fortschritt der Jungsteinzeit war die Metallverarbeitung – eine Entdeckung, die die technische Grundlage für unsere heutige Welt bildet und folglich bis heute immer noch nachwirkt. Zunächst entdeckte man, dass sich aus Malachitkrusten, wie sie auch in einigen Alpen-Hochtälern vorkommen, Kupfer gewinnen ließ. Dabei war große Findigkeit erforderlich; z.B. benötigte man Schmelzöfen, die eine wesentlich größere Hitze erzeugten, als ein einfaches Lagerfeuer. Aus dem gewonnenen Kupfer wurde einerseits Schmuck hergestellt, andererseits ließ sich auch Werkzeug daraus formen. Der Nachteil von kupfernem Werkzeug war jedoch, dass das Material zu weich ist, um es dauerhaft verwenden zu können; manche Arbeiten waren damit gar nicht erst denkbar.

Viele Jahrhunderte später folgte dann die nächste wichtige Entdeckung in Zusammenhang mit der Metallverarbeitung: Wenn man weiches Kupfer mit einer kleinen Menge Zinn verschmolz (ungefähr im Verhältnis 9:1), ergab das eine Legierung, die sich – obwohl bedeutend härter als reines Kupfer – noch gut schmieden ließ: Bronze.

 

Aus Bronze ließen sich nun sehr viel widerstandsfähigere Gegenstände herstellen; manche Werkzeug- und Waffentypen waren durch die größere Härte der Bronze überhaupt erst möglich. Bronzene Messer, Sägen, Äxte, Sicheln, Pflugscharen, Achslager für Räder, Nägel, Bohrer, aber auch Waffen wie Dolche, Schwerter, Lanzen sowie Helme und Rüstungen erleichterten das Leben und Wirtschaften der Menschen (aber gleichzeitig auch Kämpfe und Kriege) ungemein.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Verfügbarkeit von metallenem Werkzeug (zunächst aus Kupfer, dann aus Bronze) für die Menschen in vielerlei Hinsicht einen gewaltigen Fortschritt bedeutete: Mit Äxten und Sägen ließen sich ganz gezielt bestimmte Waldstücke roden (statt wie bisher die schwer kontrollierbare Brandrodung zu betreiben). Die Äcker aus so gewonnenem Land konnten mit dem Pflug bearbeitet werden, statt sie von Hand umzugraben. Das ausgesäte Getreide wurde nun mit Sicheln geerntet. Der gezielte Anbau von Feldfrüchten ermöglicht Auswahl und Züchtung von ertragreicheren Getreidesorten.

Mit der Sichel – oder, wenn dasselbe Prinzip mit einem langen Stiel kombiniert wurde, mit der Sense – ließ sich Gras leicht und in großen Mengen schneiden; damit wurden die Menschen auch in Gegenden mit harten Wintern in die Lage versetzt, Tierherden in der kalten Jahreszeit mit Heu zu versorgen (wobei dann natürlich auch Ställe zur Unterbringung der Tiere nötig wurden).

Mit der Jungsteinzeit – mit Landwirtschaft, Sesshaftigkeit und Metallverarbeitung – begann ein gewaltiger Umwälzungsprozess. Die Menschen, die bisher als Nomaden dem Zug ihrer Jagdbeute gefolgt waren und sich perfekt an ihre jeweilige Umgebung angepasst hatten, drehten jetzt den Spieß um: Sie passten die Umwelt massiv an ihre eigenen Bedürfnisse an!

Das ist wohl die tiefgreifendste Veränderung in der Geschichte der Menschheit überhaupt und nach etliche tausend Jahren machen wir auf der ganzen Welt immer noch genau dies: Wir formen, verändern und verbrauchen die Welt nach unseren Vorstellungen und Bedürfnissen.

Auch Landbesitz entstand in der Jungsteinzeit: Wer ein Stück Acker mühsam dem Urwald abgerungen hatte, es Jahr für Jahr bestellte, pflegte und stetig seinen Ertrag verbesserte, hatte verständlicherweise etwas dagegen, wenn sein Nachbar die Früchte der Arbeit nutzen wollte. Land gehörte von nun an nicht mehr jedem, der gerade darauf herumlief, sondern demjenigen, der es bewirtschaftete oder bewirtschaften ließ.

Weitere Kennzeichen der modernen Welt nahmen damals ihren Ausgang: Metall konnte man nicht einfach zum persönlichen Gebrauch im eigenen Hinterhof herstellen und verarbeiten. Hoch qualifizierte Fachleute wurden benötigt, angefangen von den Bergleuten zum Auffinden und Abbau von Erz, über die Metallgießer mit ihren Hochöfen, bis hin zu den Schmieden für die Fertigung von Gegenständen.

Vielfältige Berufe bildeten sich – nicht nur im Bereich der Metallgewinnung und -verarbeitung. Metallgießer, Schmiede und auch Töpfer hatten einen enormen Bedarf an Brennholz und Holzkohle. Spezialisierte Zulieferbetriebe wie Köhlereien entstanden.

Der Bergmann, der in unfruchtbaren Hochtälern arbeitete, hatte keine Zeit mehr, selbst Felder zu bebauen oder auch auf die Jagd zu gehen. Er musste das ausgegrabene Erz gegen Lebensmittel eintauschen, um nicht zu verhungern; ähnlich erging es den Vertretern anderer neu entstandener Berufe: Es entwickelt sich folglich ein Handel mit den verschiedensten Gütern und Produkten.

Hinsichtlich der Bronzeherstellung kam dann noch eine spezielle Problematik hinzu: Zinn war sehr selten! In den Alpen gab es – wie auch in vielen anderen Gebieten – keine abbaubaren Vorkommen. Das Zinn musste mühsam aus Südengland, dem Ural oder über das Mittelmeer aus Spanien herbeigeschafft werden: Aus dem lokalen Handel erwuchs in der Bronzezeit ein Fernhandel über zum Teil tausende von Kilometern.

Das überall dringend benötigte Zinn war wertvoll und die Bronze durch den Zinnmangel nicht in beliebiger Menge herzustellen. Wer Zinn oder Bronze besaß, war also reich!

Wer mehr Zinn und mehr Bronze besaß, war reicher – aber auch gefährdeter: Gauner wollten sich gerne etwas von den Schätzen abzweigen und waren in ihren Methoden nicht zimperlich. Der Reiche musste sich also schützen, indem er gut ausgebildete Kämpfer bezahlte, die seinen Besitz verteidigen sollten: Soldaten.

Die Reichen gewannen an Einfluss und wurden noch reicher. Dadurch wuchsen Einfluss und Macht, was wiederum Reichtum erzeugte usw.

Die bekannte Spirale aus Macht und Reichtum funktionierte damals schon genauso wie heute.

Manche der Mächtigen wurden sehr mächtig, indem sie durch geschickte Manipulationen oder einfach mit Gewalt andere verdrängten oder ausbeuteten: Fürstentümer mit riesigem Grundbesitz traten in Erscheinung – auf der anderen Seite aber auch Arme, Unterdrückte und vielleicht sogar Sklaven.

Bei all diesen gewaltigen Umwälzungen darf man aber nicht vergessen, dass wir in Europa mit unserer Jungsteinzeit und unserer Bronzezeit einigen anderen Weltgegenden ziemlich hinterherhinken. Die Herstellung von Bronze beispielsweise lässt sich in Palästina schon vor 5.300 Jahren nachweisen, in Mitteleuropa dagegen erst vor 4.200 Jahren.

Im Gegensatz zu Europa kannte man in Ägypten und Mesopotamien (dem heutigen Irak) bereits vor über 5.000 Jahren die Schrift (Hieroglyphen, Keilschrift) und es entwickelten sich Hochkulturen mit Städtebau und organisiertem Staatswesen.

Meine Geschichte beginnt am Ledrosee (Lago di Ledro, zwischen Garda- und Idrosee), in einer typisch bronzezeitlichen Pfahlbausiedlung, wie sie an vielen oberitalienischen Seen, der Schweiz und Österreich, sowie an süddeutschen Gewässern nachgewiesen wurden. Das im vorliegenden Buch genannte Museumsdorf gibt es dort übrigens tatsächlich: Ein kleines, aber wunderschönes Pfahlbaudorf ist an der Stelle der originalen archäologischen Fundstelle aufgebaut worden (Museo delle Palafitte Molina di Ledro). Ein angeschlossenes Museum zeigt beeindruckende Exponate an Schmuck, Waffen und Bernstein und versetzt den Besucher in die Alltagswelt der Dorfbewohner.
Amelie befindet sich als Nichte ‚Aliya‘ in der Familie des reichen Fernhändlers Tisander. Der stellt eine Handelskarawane zusammen und macht sich mit den verschiedensten Waren auf den Weg zur fast 1.500 km entfernten Ostsee. Schwere, von Ochsen gezogene Karren überwinden in der ersten Etappe den Pass ‚Bocca di Trat‘, um zum Lago di Tenno zu gelangen. Das dürfte eine Flunkerei sein, denn der Weg war sicher ungeeignet für Gespanne …
Dass solche Karren auf den Pässen jener Zeit dagegen häufig verkehrten, ist allerdings belegt.
Wer aufmerksam die Gewässernamen im Text verfolgt, kann relativ leicht erkennen, auf welchem Weg Tisander die Alpen überqueren will. An der Mündung der Passera beschließt er, den Weg über den Wolkenpass – in meiner Vorstellung das Timmelsjoch – zu nehmen. Wer heute auf dem Joch steht und sich nach den geschilderten Eisfeldern umsieht, sucht sie allerdings vergeblich. Auch hier kann der Schriftsteller ganz einfach Berge versetzen und seinen Figuren Schwierigkeiten oder gar ganze Gletscher in den Weg legen.
Gerick, der Vater der Zwillinge, der mit seinen Ziegen und Töpferwaren Handel bis nach Bregenz betreibt, ist dagegen verbürgt: Keramik aus der Laugen/Mellauner Kultur wurde bis an den Bodensee exportiert. Ziegen als hervorragende Lasttiere hat meine Tochter selbst erlebt und viel Spaß dabei gehabt.
Samors Festung erinnert an die Heuneburg an der oberen Donau (bei Herbertingen). Die stammt allerdings erstens aus der Zeit der Kelten und ist damit rund tausend Jahre jünger. Zweitens habe ich sie gut 100 km Donau-abwärts angesiedelt. Auch dort ist meines Wissens bislang keine Festungsanlage aus der Bronzezeit gefunden worden.
Flöße auf größeren Flüssen dürften ein vertrauter Anblick gewesen sein. Beweise dafür kann ich zwar nicht benennen, aber die Gegebenheiten, Technik und Material waren längst vorhanden und so wäre es eher seltsam, wenn noch niemand das Floßfahren erfunden hätte. Die geschilderte Seilfähre in der Gegend um Passau ist dagegen ein reines Fantasieprodukt. Mir sind zumindest keine Quellen dazu bekannt. Die Nutzung liegt allerdings nahe und bestimmt hätten die Menschen damals durchaus das technische Know-how für solch ein strömungsgetriebenes Vehikel gehabt. Die Schwierigkeit besteht eher darin, entsprechend lange und tragfähige Seile dafür herzustellen. Das darf mit Recht bezweifelt werden.
Ab hier folgt Tisander der „Bernsteinstraße“, die als Handelsroute von Forschern nachgewiesen wurde. Bearbeitete Bernsteinperlen, die eindeutig von den Ostseestränden stammen, finden sich immer wieder in ganz Europa, besonders häufig aber entlang dieser Route, sodass man davon ausgehen darf, dass hier ein schwunghafter Handel stattgefunden hat. Bernstein war als Schmuck begehrt und einigermaßen selten. Dazu sind die wertvollen Perlen klein und leicht zu transportieren. Mit etwas Fantasie kann man das versteinerte Baumharz wie im Roman vielleicht als „Zahlungsmittel“ interpretieren, also dem Vorläufer von Münzgeld.

*Alle verwendeten Bilder und Fotos wurden laut „Google-Bilder“ von den jeweiligen Fotografen zur Wiederverwendung markiert.

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